Ansagen statt Anweisungen – Was Führungskräfte von Regisseur:innen lernen können
Vorhang auf für Klartext.
Die Regie sagt nicht: „Mach’s irgendwie mal charismatisch.“ Sie sagt:
„Nimm zwei Schritte nach vorn, heb den Blick und sprich den Satz direkt in ihre Richtung.“
Klare Ansagen – aber nicht autoritär. Sondern zielgerichtet, nachvollziehbar und anschlussfähig. Genau das fehlt oft in der Führung. Nicht, weil Menschen nicht führen können. Sondern weil sie nie gelernt haben, ihre Wirkung bewusst zu steuern.
Zwischen Bühne und Büro: Kommunikation mit Wirkung
In der Theaterprobe geht es selten um abstrakte Werte. Es geht um konkrete Umsetzung. Der Regie ist egal, ob jemand prinzipiell engagiert ist – entscheidend ist, was ankommt. Und das ist überraschend oft eine Frage der Sprache.
In Unternehmen hören wir dagegen häufig Sätze wie:
„Kannst du dich bitte mehr einbringen?“
„Sei mal ein bisschen klarer in der Kommunikation.“
„Du brauchst mehr Präsenz.“
Was bedeuten diese Sätze konkret? Meistens: gar nichts. Oder alles. Und das ist das Problem. Denn Kommunikation, die im Ungefähren bleibt, erzeugt genau dort Unsicherheit, wo Führung eigentlich Klarheit schaffen sollte.
Führung als Regiearbeit: Gleiche Bühne, andere Zielgruppe
Gute Regisseur:innen schaffen Raum für Entwicklung, aber auf einem klar abgesteckten Spielfeld. Sie geben ihren Schauspieler:innen Orientierung. Nicht mit Mikromanagement, sondern mit spielbaren Impulsen. Mit Ansagen, die Handlung ermöglichen, nicht blockieren.
Klingt nach einer Selbstverständlichkeit? Schön wär’s. In vielen Organisationen regiert das Gegenteil: Vage Erwartungen, diffuse Ziele und überfrachtete Meetings. Und dann wundert man sich, warum „keiner Verantwortung übernimmt“.
Zeit, sich ein paar handfeste Prinzipien von der Bühne zu borgen:
Drei Regie-Prinzipien für den Führungsalltag
1. Spielbar machen statt fordern
„Zeig mehr Einsatz“ ist kein Arbeitsauftrag. Es ist ein Hilferuf im Nebel. Denn was heißt das genau? Länger im Büro bleiben? Lauter reden? Pünktlicher Mails beantworten?
Regie denkt anders. Sie fragt: Was genau soll auf der Bühne passieren? Und sagt dann:
„Geh zwei Schritte auf ihn zu, heb die Stimme am Ende des Satzes und halt die Spannung.“ Das ist spielbar – also konkret umsetzbar.
Übertragen auf Führung heißt das:
Nicht „Bitte mehr Eigenverantwortung“, sondern:
„Bitte bring drei konkrete Lösungsvorschläge zur nächsten Besprechung mit.“
Oder:
Nicht „Du brauchst mehr Kundenorientierung“, sondern:
„Ich möchte, dass du im nächsten Gespräch am Ende drei offene Fragen stellst – und eine davon zur konkreten Bedarfserhebung.“
Spielbare Anweisungen schaffen Klarheit und fördern Selbstwirksamkeit. Genau das, was viele Teams sich wünschen.
2. Kontext geben statt Anordnen
Gute Regie erklärt nicht nur, was passieren soll, sondern warum. Sie stellt Zusammenhänge her. Das hilft den Schauspieler:innen, ihren Text nicht nur auswendig zu lernen, sondern emotional zu füllen.
In der Führung heißt das: Entscheidungen erklären. Ziele einordnen. Und Richtungen begründen.
Beispiel:
Statt „Wir führen jetzt ein neues CRM ein, weil der Vorstand das beschlossen hat“, lieber:
„Das neue CRM wird uns helfen, schneller auf Kundenanfragen zu reagieren und bessere Forecasts zu erstellen – das bringt uns mehr Planbarkeit und bessere Abschlussquoten.“
Kontext macht Mitarbeitende zu Mitdenkenden. Wer das große Ganze versteht, wird weniger Widerstand zeigen – und oft bessere Ideen einbringen, als es jede Führungskraft allein könnte.
3. Zutrauen zeigen statt kontrollieren
Gute Regie vertraut dem Ensemble. Sie sagt nicht jeden Atemzug an. Sondern lässt Raum innerhalb klarer Rahmenbedingungen. Sie glaubt daran, dass die Schauspieler:innen eigene Lösungen finden, wenn sie wissen, was das Ziel ist.
Führung funktioniert genauso. Mikromanagement ist kein Zeichen von Qualität, sondern von Misstrauen. Und das merkt man auch auf Distanz.
Statt nach jedem Schritt zu kontrollieren: Vertrauen aussprechen. Und Feedback geben, wenn etwas gelungen ist nicht nur, wenn es hakt.
Zum Beispiel:
„Mir ist aufgefallen, wie gut Sie heute das Kundenbedürfnis auf den Punkt gebracht haben das war klar, empathisch und zielführend.“
Zutrauen ist kein Kuschelkurs. Es ist eine Entscheidung für Verantwortung auf beiden Seiten.
Die Angst vor Klarheit
Viele Führungskräfte vermeiden klare Ansagen, weil sie fürchten, „autoritär zu wirken“. Oder weil sie selbst unsicher sind, was sie eigentlich wollen. Doch Klarheit ist kein Machtinstrument, sondern ein Angebot zur Orientierung.
Wer klar spricht, macht sich angreifbar. Ja. Aber auch berechenbar. Und genau das schafft Vertrauen.
Denn: Unklare Führung ist kein Zeichen von Offenheit, sondern von Überforderung.
Fazit: Führung braucht Regiekompetenz
Führung ist keine PowerPoint-Folie. Und auch kein Bauchgefühl, das man irgendwie kommuniziert. Führung ist wie Regiearbeit: situativ, zielgerichtet und voller Kommunikationsarbeit.
Wer führen will, muss nicht alles wissen. Aber wissen, was er oder sie vermitteln will. Und wie das beim Gegenüber ankommt.
Klare Ansagen sind kein Zeichen von Härte. Sie sind ein Zeichen von Verantwortung. Und sie machen den Unterschied zwischen einem Meeting, das man vergisst, und einem Gespräch, das etwas in Bewegung bringt.
Lust auf mehr Regiearbeit im Führungsalltag?
Dann fragen Sie sich bei der nächsten Ansage: Wäre das auf einer Bühne spielbar?
Wenn nicht – einfach nochmal inszenieren oder uns fragen.