Die tränenreiche Speaker-Ausbildung
Hier war er – der Beweis, dass unsere Speaker-Ausbildung mehr als Theorie und ein paar Übungen sind. Lebendig und in meinem Fall war sie auch brutal. Tragische Umstände forderten meinen ersten echten Praxistest: eine Rede auf der Beerdigung meiner Tante.
Ende Februar starb meine Tante. Eine wunderbare, starke und sehr lustige Frau. Sie war nicht nur extrem kommunikativ, sie war so gut wie vorurteilsfrei (ihre ausschließlich nicht österreichischen Pfleger:innen werden sie sicher vermissen). Und sie hatte einen Wunsch: dass ich auf ihrer Beerdigung ein paar Worte sage.
Dieser Wunsch hat mich fast überfordert. Es ist das eine, vor ein paar Leuten etwas zu erzählen. Aber jemandem das letzte Geleit zu geben, den man wirklich geliebt hat – das ist emotional schon sehr beeindruckend.
Gerade weil ich sie jedoch sehr vermissen werde, habe ich diese fordernde Aufgabe sehr gerne angenommen.
Die Vorbereitung
Als sie starb, war das natürlich erst einmal einfach nur sehr traurig. Aber sehr bald ging es – wie das in solchen Momenten eben ist – um die Beerdigung. Und um ihren Wunsch, dass ich ein paar Worte sage. Sie wollte immer, dass ich in die Politik gehe, weil sie überzeugt war, ich sei ein guter Redner. Den Politikteil lasse ich bleiben – aber das mit dem Reden, das ist ja mittlerweile nicht mehr so weit hergeholt.
Ich sage also Marcus Josef Weiss: Wir müssen das vorbereiten und es muss gut werden. Mein Hardcore-Test.
Ich beginne mit der Rede – zuerst schreibe ich das Ende, weil es mir spontan einfällt und sofort stimmig wirkt. Danach baue ich den Rest drumherum.
Diese Rede erstmals jemandem zu zeigen fühlt sich tatsächlich sehr intim und verletzlich an. In meiner Speaker-Lektion lese ich also meine Zeilen Marcus vor. Er fragt mich, ob ich die Rede vorlesen will oder frei sprechen. Das ist einfach: frei sprechen.
Meine größte Sorge zu dem Zeitpunkt war tatsächlich: Wie soll ich zwei A4-Seiten in 1,5 Tagen auswendig können? Ich bin kein Schauspieler, der das ständig macht.
Marcus‘ Lösung: In Blöcke aufteilen. Nicht auf einzelne Worte fixieren. Stattdessen: die Bilder im Kopf behalten. Und – so absurd es klingt – den Moment genießen und Zeit lassen. Zeit lassen!
Der Abschied
Ich habe diese Rede für meine Tante zu Hause geübt, immer wieder und wieder. Jedes Mal klang sie ein bisschen anders. Mal besser. Mal weniger. Oft tränenreich. Dieses Üben war der eigentliche Abschied von mir von meiner Tante. Und meine Hauptsorge ab jetzt: Werde ich es am Tag X überhaupt schaffen – oder übermannen mich die Emotionen?
Am Tag der Beerdigung habe ich schon auf dem Weg zur Aufbahrungshalle meine Übungen gemacht (zu Hause sowieso). Bis zu dem Moment, in dem ich aufstand und vor den Sarg trat, wusste ich nicht, ob ich zur Sicherheit meine Zettel mit der geschriebenen Rede in die Hand nehmen würde.
Ich tat es nicht.
Ich ging auf Risiko.
So, wie es meiner Tante gebührte.
Und es war großartig.
Ich habe es tatsächlich genossen, sie auf diese Art zu verabschieden. Genau so, wie sie es sich gewünscht hätte.
Die Besucher haben geweint. Und gelächelt. Immer zu dem Text passend.
Meiner Tante hätte das gefallen.
Meine erste offizielle Rede als (halb)ausgebildeter Speaker – sie war für sie.
Und jetzt ist eine Rede vor Familie oder Freunden auch offizieller Teil unserer Ausbildung.
Danke, Tante.